Wolfgang
Kraska (FDP):
Haushaltsrede 2013 - nachträglich protokolliert
anhand des gesprochenen Wortes -
(20.12.2012)
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Das Wichtigste in Stichworten:
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Herr Bürgermeister, meine
Damen und Herren,
[spontan
formuliert angesichts der zuvor gehörten Haushaltsreden
von Richard Bolwerk (CDU) und Ralf Nielsen (SPD), die sich
trotz Haushaltsdefizit für Steuererhöhungen und
gegen Ausgabenkürzungen aussprachen]: Wenn ich
Sie von der CDU und der SPD so höre, dann habe ich
unwillkürlich das Bedürfnis, zum Telefon zu greifen.
Da gibt es im Fernsehn nämlich einen Berater namens Peter
Zwegat, der im Rahmen einer abendlichen
Fernsehsendungen notleidenden Familien hilft, mit ihrem Geld
auszukommen. Diesen Herrn würde ich Ihnen gern einmal in
Ihre Parteisitzungen schicken!
Regelmäßig kommt dieser Schuldnerberater an den
Punkt, wo er den Betroffenen vorrechnet, wie wenig Einkommen
sie haben, und wie unverantwortlich hoch ihre Ausgaben sind.
Regelmäßig ist dann aus den Mündern der armen
betroffenen Menschen zu hören, was wir ständig auch
aus Ihren Mündern (CDU und SPD) zu hören bekommen,
wenn es um den städtischen Haushalt geht:
- "Wir haben schon alles
versucht!", heißt es dann regelmäßig.
- "Wir sparen schon, wo
wir können!
- "Aber wir müssen
doch so viel Geld ausgeben!"
- "Wir brauchen doch alles
das, was wir da einkaufen! ..."
Der Schuldnerberater bleibt
dann immer ganz kühl und rechnet an einer Tafel vor:
- "So
hoch ist Ihr regelmäßiges Einkommen;
- Mehr können
sie folglich auch nicht ausgeben!
- Also müssen
Sie soundsoviel im Monat einsparen ..."
... schließlich kann der
Normalbürger ja nicht einfach mit einem Fingerschnippen
seine Einnahmen erhöhen, so wie wir als Stadt das tun
können, indem wir einfach die Steuern erhöhen!
Der Haushaltsplan, über den wir heute abstimmen,
enthält eine zentrale Botschaft, die uns allen Sorgen
bereiten muss: Coesfeld plant wieder einmal
mit "roten Zahlen"! Wieder einmal soll unser Haushalt
mit einem Defizit abschließen,
- und das, obwohl der
Bürgermeister die Gemeindesteuern erhöhen will
und die daraus resultierenden Mehreinnahmen bereits in
seinen Haushaltsentwurf eingerechnet hat,
- und das, obwohl derzeit
die Steuereinnahmen ohnehin schon so
hoch sind wie noch nie! Die Stadt Coesfeld hat derzeit so
viel Geld in den Kassen wie selten einmal - und trotzdem
soll es wieder einmal nicht reichen?
Wie kann das sein? Und vor
allem: Wie soll sich die städtische Haushaltslage erst in
späteren Jahren entwickeln, wenn die wirtschaftliche Lage
wieder schlechter wird und die Erträge nicht mehr so
sprudeln wie heute?
Wir alle kennen aus persönlicher Erfahrung, dass "Geld"
ein sehr flüchtiger Stoff ist. Kaum hat man es sauer
verdient, ist es auch schon verplant und ausgegeben. Und
selbst wenn man vorhat, ein wenig davon zurückzulegen -
wie schnell ist es dann doch passiert, dass unter den
Anforderungen des Alltags der gute Vorsatz schnell über
den Haufen geworfen und das Geld wieder einmal
vollständig ausgegeben ist.
In der Politik, und auch in unserer Stadt ist
es nicht anders. Aus lebenslanger bitterer Erfahrung wissen
wir:
- Gebt dem Staat / gebt
der Stadt Geld in die Hand, und sie wird es ausgeben.
Daraus folgt unerbittlich die nächste Regel:
- Gebt der Stadt mehr
Geld in die Hand, und sie wird folglich mehr
Geld ausgeben!
Um diesem Zusammenhang
entgegenzutreten, ziehen wir, die Coesfelder FDP, folgenden
Umkehrschluss: Geben wir der Stadt nicht mehr Geld in
die Hand, denn dann muss unsere Stadt, dann müssen wir alle hier
in diesem Stadtrat zusammen
überlegen, wie und wo in Zukunft gespart werden muss.
Wir als Stadt müssen endlich lernen, mit dem Geld
auszukommen, das uns die Bürger über ihre Steuern
und Entgelte anvertrauen!
Aus diesem Grund werden wir heute jede Form
der Steuererhöhung ablehnen, und nicht
nur das: Aus diesem Grund fordern wir wie in der Vergangenheit
eine Beschränkung der Aufwendungen und die
Reduzierung auf eine bezahlbares und zukunftsfähiges
Leistungsangebot.
Nun hält Bürgermeister Öhmann und die
Verwaltungsspitze den Kritikern vor, die Stadt Coesfeld
würde schon sparen, wo sie nur könnten. Das
Sparpotential sei bereits so ausgeschöpft, dass keine
weiteren Einsparungen mehr möglich sind. (Es wäre
interessant, was ein Herr Zwegat zu diesem Vortrag sagen
würde - wahrscheinlich würde er die Augen
verdrehen).
Und selbst wenn diese Darstellung aus Sicht der
Stadtverwaltung richtig und begründet sein sollte, so hat
sie doch einen gewichtigen Haken, und das ist die Realität.
- Realität ist nicht
nur, dass nach wirtschaftlich guten Jahren auch wieder
wirtschaftlich schlechte Jahre kommen. Wenn wir es heute,
wo die Steuereinnahmen sprudeln wie noch nie, schon nicht
schaffen, ein Defizit zu vermeiden, wie hoch sollen unsere
Defizite erst werden, wenn die wirtschaftliche Lage wieder
angespannter wird? Eigentlich müssten wir heute
Rücklagen bilden, damit es unsere Stadt in schlechten
Jahren nicht so hart trifft - wenn nicht jetzt, wann dann?
- Ein anderer Aspekt der
Realität, dem sich außer uns bislang noch
niemand in diesem Stadtrat so richtig beschäftigt
hat, ist die sogenannte demographische Entwicklung,
oder einfacher ausgedrückt: die Bevölkerungsentwicklung.
- Erst am 30. November
berichtete die AZ über jüngste Berechnungen
aus dem Statistischen Landesamt, wonach in den
nächsten 15 Jahren die Einwohnerzahl unserer Stadt
um fast 10 % sinken wird.
- Aus den Statistiken,
die wir die die Schulentwicklungsplanung benötigen,
wissen wir schon länger, dass die Zahl der Kinder
dann sogar um über 30 % geringer sein wird.
- Gleichzeitig wird der
Anteil der Alten, der Rentner und Pensionäre, immer
weiter zunehmen.
Was bedeutet das für den
städtischen Haushalt?
Nun, der Zusammenhang ist ganz einfach: Es werden schon in naher Zukunft
weniger Menschen da sein, die das Steueraufkommen stemmen
müssen, die all das bezahlen müssen! Daraus müssen
wir im Sinne und zum Wohle unserer Bürger folgern: Wenn
die Zahl derer abnimmt, die Steuern bezahlen können,
dann muss auch die städtische Verwaltung, dann
müssen auch die städtischen Leistungen und die
städtischen Aufwendungen entsprechend reduziert werden.
Unsere Stadt und ihre Leistungen müssen für unsere
Bürger bezahlbar bleiben, und wir müssen heute schon
anfangen, die richtigen Weichen zu stellen, um Verwaltung und
Haushalt auf ein dauerhaft bezahlbares Maß zu
reduzieren!
Somit ist gar nicht die Frage, ob man in
Coesfeld noch sparen "möchte" oder wo man "vielleicht"
noch sparen "könnte". Tatsache ist, dass wir alle
miteinander hier in Stadtrat und Verwaltung sparen müssen,
und zwar massiv sparen müssen.
Nur so erhalten wir uns eine zukunftsfähige und
handlungsfähige Stadt.
Wenn wir ehrlich miteinander sind, wissen wir doch alle, dass
es so nicht weitergehen kann. Schon jetzt regiert in vielen
Politikfeldern der Sparzwang.
Einen ersten Vorgeschmack auf spätere Zeiten, wenn nur
noch der Rotstift regieren wird, war der jüngste
Beschluss, 13 Kinderspielplätze zu schließen. Warum
wurden diese 13 Kinderspielplätze denn geschlossen?
- Hat irgendwo ein
Facharbeitskreis getagt - vielleicht bei der SPD oder bei
Pro Coesfeld - und darüber beraten, wie viele
Spielplätze in Coesfeld tatsächlich gebraucht
werden? Nein!
- Hat es irgendwo ein
Fachgremium oder doch wenigstens einen einzigen
Fachpolitiker - vielleicht bei der CDU - gegeben, der zu
der Erkenntnis gekommen ist, dass etwa ein Drittel der
Coesfelder Spielplätze überflüssig sind und
deswegen geschlossen werden müsste? Nein!
Der einzige Grund für die
Schließung von 13 Spielplätzen ist ein rein
wirtschaftlicher Grund! Die Verwaltung hatte vorgeschlagen
vor, aus Kostengründen am Bauhof ein freiwerdende Stelle
nicht wieder mit einer Arbeitskraft zu besetzen und somit
dauerhaft einzusparen. Das ginge aber nur, so die klare
"Ansage", wenn gleichzeitig die erwähnte Zahl von 13 zu
pflegenden Spielplätzen entfallen würde ....
Wo bleibt da noch die politische Steuerung? Wo bleibt da noch
die politische Gestaltungsmöglichkeit zum Wohle unserer
Stadt, wenn man sich am Ende dermaßen und
ausschließlich vom Sparzwang treiben lassen muss, weil
einem auf die Schnelle nichts anderes mehr einfällt?
Wir alle wollen eine Stadt,
- in der Kinder spielen
und lernen können,
- in der alt und jung
zufrieden wohnen,
- in der gerade auch den
Bedürfnissen der älteren Stadtbewohner Rechnung
getragen wird.
- Wir wollen nach wie vor
in Coesfeld gut arbeiten
- und gut einkaufen
können,
- und vor allem wollen wir
alle gemeinsam unsere Stadt zukunftsfähig erhalten!
Wir können auch gern
Zukunftsprojekte entwickeln, können uns über die
Renaturierung oder die "Erlebbar-Machung" der Berkel Gedanken
machen, über irgendwelche Projekte und Konzepte und was
auch immer. Aber dafür muss zunächst
einmal unser Haushalt dauerhaft gesund sein!
Wenn wir uns politische Gestaltungsmöglichkeiten erhalten
und für die Zukunft sichern möchten, müssen wir
zunächst darüber nachdenken, wie ein bezahlbares
Leistungsangebot und damit ein für die Bürger
bezahlbarer Haushalt aussehen muss! Wir müssen
gemeinsam darüber nachdenken, worauf wir verzichten
müssen, welche bestehenden Maßnahmen reduziert
werden müssen, wo Standards gesenkt werden müssen,
wo Personal und damit Verwaltungsumfang mittelfristig
eingespart werden muss.
Vor diese Aufgabe stellt uns die Realität - und damit
natürlich auch der Bürger, der von uns einen
vernünftigen Umgang mit dem städtischen Geld und
Eigentum erwartet.
Was wir in Coesfeld brauchen, ist ein "Masterplan
'gesunder Haushalt'", der von uns allen getragen
wird. Zu diesem Zweck hatten wir (FDP) bereits im vergangenen
Jahr beantragt, eine parteiübergreifende Arbeitsgruppe
einzurichten, die die Weichen in genau diese Richtung
vorbereiten soll. Auch bei der FDP haben wir weder den Stein
der Weisen gefunden noch einen Goldesel gezüchtet. Aber
wird sind überzeugt: Je mehr kluge Köpfe
zusammensitzen, umso besser sollte doch das Ergebnis sein,
das dabei für unsere Stadt herauskommt!
Heute reiche ich zunächst einmal erneut den Antrag dazu
ein. Bis zu der nächsten Hauptausschusssitzung und
Ratssitzung haben wir alle die Gelegenheit, den
grundsätzlichen Trubel um die heutige Haushaltsberatung
hinter uns zu lassen und dann nüchtern und in Ruhe zu
diskutieren und zu entscheiden. Geben Sie sich dann einen
Ruck und sagen Sie: "Ja, wir wollen miteinander reden, und
zwar über die Dinge, über die geredet werden
muss!"
Eigentlich ist ja jetzt schon festzustellen, dass wir in
vielem gar nicht mehr so weit auseinanderliegen. Die
konsequente Haltung, die die FDP seit Jahren zeigt, beginnt
nun erste bescheidene Früchte zu tragen. Denn
während Sie in der Vergangenheit stets unsere
Vorstöße abgeschmettert und unsere Vorträge
verlacht haben, ist nun festzustellen, dass sie nun selbst
beginnen, sich die Sichtweisen der FDP zu eigen zu machen.
- Ich fange mit Pro
Coesfeld mal an. Sie stellen nun erstmals die
Forderung auf, in der Haushaltssatzung die Höhe der
Aufwendungen um 2 Mio € herabzusetzen. Das ist genau der
richtige Weg, um einer weiteren Ausweitung der
Aufwendungen entgegenzuwirken, denn wir als Politik
bestimmen nicht nur über das Leistungsangebot,
sondern legen mit der Haushaltssatzung auch fest, wieviel
Geld die Verwaltung dafür aufwenden soll.
Seit 2008 erhebt die FDP die Forderung, die
Höhe der Aufwendungen rigoros zu kürzen. Die 4 %,
um die wir damals den Ansatz kürzen wollten,
entsprachen bereits in etwa den 2 Millionen Euro, um den Sie
heute den Ansatz kürzen wollen. Insofern, liebes Pro
Coesfeld: Herzlich willkommen im Boot!
- Auch mit der SPD
zeichnen sich bereits mehr als zarte Berührungspunkte
ab. In der letzten Hauptausschusssitzung hob Herr Nielsen
ausdrücklich hervor, wie notwendig es ist, eine
städtische Aufgabenkritik durchzuführen. "Wir müssen zu einer
Aufgabenkritik kommen," so werden Sie in der
Allgemeinen Zeitung vom vergangenen Samstag [15.12.2012]
zitiert. "Sowohl mit
Aufgabenreduzierung als auch mit Steuererhöhungen
machen wir uns nicht beliebt, aber wir werden uns
unbeliebt machen müssen," Ja, Herr
Nielsen, genau richtig! Ich hoffe nur, dass Sie und Ihre
Partei nun auch bereit sind, an dieser Frage mitzuarbeiten
und für gesenkte Aufgaben- und Leistungsstandards bei
Ihrer Klientel den Kopf hinzuhalten! Letztes Jahr haben
Sie noch den FDP-Antrag abgelehnt, in dieser Frage eine
Arbeitsgruppe einzurichten und mit der Arbeit endlich zu
beginnen. Geben Sie sich dieses Mal den Ruck und stimmen
Sie dem gemeinsamen Projekt zu!
- Und nun noch zur CDU:
Aus Ihrer Partei war deutliches Unbehagen hinsichtlich der
geplanten Steuererhöhung zu hören gewesen. Aber
was ist aus Ihren kritischen Stimmen geworden ...
Politisch sind Sie schwachbrüstig wie noch nie.
Selten hat es eine CDU gegeben, die dermaßen wenig
politische Gestaltungskraft, geschweige denn
Gestaltungswille hat. Gleich werden Sie, wie bereits von
Herrn Bolwerk angekündigt, "einstimmig" den Haushalt
und die damit verbundenen Steuererhöhungen abnicken.
Bitte vergessen Sie nicht, dass jeder von Ihnen eine
eigene Stimme hat und dass Sie in erster Linie dem
Coesfelder Bürger und erst in zweiter Linie
irgendeinem Fraktionszwang verpflichtet sind. Sie
können doch nicht immer nur Abnicken! Sie müssen
doch endlich einmal wieder das Heft in die Hand nehmen
wollen und müssen Ihrerseits klarlegen, wohin die
Politik aus Ihrer Sicht gehen soll. Sie können doch
nicht immer nur Jahr für Jahr einen defizitären
Haushalt nach dem anderen verabschieden, und wenn sogar in
guten Jahren das Geld nicht reicht, fällt Ihnen immer
noch nichts besseres ein, als den Bürgern in die
Tasche zu fassen!
Dem heute vorgelegten
Haushaltsplan werden wir (FDP) nicht zustimmen. Wieder soll
mehr ausgegeben werden, als da ist. Er ist ein blindes "weiter
so!", ihm fehlt jeder Konsolidierungswille und stellt damit
die völlig falschen Weichen für die Zukunft.