Coesfeld vor dem
Paradigmenwechsel?
- Eine Nachbetrachtung zu den Haushaltsberatungen des Jahres 2010
(Februar 2010)
Sehr geehrte Damen und Herren,
am 25.02.2010 wurde der städtische Haushalt mehrheitlich
verabschiedet. Eine "unheilige Allianz" von CDU und SPD
sorgte für
die knappe Mehrheit; FDP, Grüne und Pro Coesfeld
lehnten das
vorgelegte Werk ab. Coesfeld plant somit, das
Jahr 2010 mit einem
Verlust von 4,1 Mio. € abzuschließen,
und nimmt das Risiko in
Kauf, vielleicht schon in zwei Jahren
in die
Haushaltssicherung
zu kommen.
Dennoch ließ die Diskussion um den Haushalt eine Spur von
Umdenken, vielleicht sogar eine Spur von Aufbruch in eine
bessere,
zukunftsgerichtete Haushaltspolitik erkennen.
Es dämmert die Erkenntnis: "So
kann so nicht weitergehen!"
Es ist eine Tatsache, dass unsere Stadt nach wie vor über ihre
Verhältnisse lebt. Jahr für Jahr geht ein Stück
Eigenkapital verloren, weil die Stadt auf Kosten ihrer Substanz
"spart". Die Verwaltung selbst weist seit 2007 in ihren Vorberichten zu
den Haushaltsentwürfen darauf hin, dass es ihr schwerfällt,
etwa 3 Mio. € an jährlichen Abschreibungen zu erwirtschaften -
Mittel, die - andersherum betrachtet - notwendig sind, um
städtisches Vermögen zu pflegen und zu erhalten.
Auch
Richard Bollwerk,
Fraktionsvorsitzender der CDU, hob vor diesem Hintergrund in
seiner Haushaltsrede hervor, dass der städtische Haushalt ein
"strukturelles Problem" habe, das dauerhaft gelöst werden
müsse. Sobald die Daten der neuen Steuerschätzung vorliegen,
kündigte er an, werde sich die interfraktionelle Arbeitsgruppe,
die sich nach der Kommunalwahl aus den Fraktionsspitzen der im Stadtrat
vertretenen Parteien gegründet hatte, mit Möglichkeiten des
Sparens und einer besseren Verwendung der städtischen Ressourcen
befassen.
Pro Coesfeld, die
zweitstärkste Fraktion im Coesfelder Stadtrat, bot den
üblichen unappetitlichen Populismus. Nicht nur, dass sie mit z.T.
unsinnigen "Sparvorschlägen" (Verzicht auf die Reparatur eines
Zaunes, Verzicht auf Sanierungsmaßnahmen an Straßen,
verstärktes Verhängen von "Knöllchen" u.ä.) punkten
wollten - in seiner Haushaltsrede kündigte
Fraktionssprecher Hallay einen "innovativen Antrag" an, den er in die
Diskussion der schon erwähnten interfraktionellen Arbeitsgruppe
einbringen möchte. Der Kern dieses "innovativen Antrags" werde in
der Forderung bestehen, bei künftigen Haushaltsberatungen nach dem
sogenannten "Gegenstromprinzip" zu verfahren.
Doch die Diskussion um Eckwerte und damit um das
"Gegenstromprinzip" ist bereits angestoßen. Schon
in
die ersten Sitzung der interfraktionellen
Arbeitsgruppe am 14.01.2010 hatte der FDP-Vorsitzende Wolfgang Kraska
dieses Thema in die Diskussion eingebracht und damit eine
intensive Diskussion ausgelöst. Ein erneuter "innovativer Antrag"
seitens Pro Coesfeld ist also nicht mehr erforderlich - aber wir werden
wohl wieder einmal hinnehmen müssen, dass sich Pro Coesfeld mit
unlauterer Propaganda in den Vordergrund spielen will.
Zudem: Noch auf der letzten Ratssitzung am 17.12.2009 hatte Pro
Coesfeld ein Verfahren zur Haushaltsaufstellung beantragt, das im Kern
dem Gegenstromprinzip
zuwiderläuft und statt dessen auf die "altbewährte"
Sichtweise setzte. Nach diesem Antrag sollte bei der Aufstellung des
Haushaltes (wie bisher) zuerst die Verwaltung ihre Ansprüche
für die einzelnen Budgets
anmelden; erst dann würde die Politik die Anforderungen
diskutieren und
die Budgetvorgaben beschließen. Der einzige Unterschied zum
bisherigen Verfahren. Es würde früher einsetzen und sich fast
über das ganze Jahr erstrecken. (vgl. Unterlagen zur Ratssitzung
vom 17.12.2009, Vorlage 348/2009)
Der richtige Weg: Haushaltsberatungen
nach dem "Gegenstromverfahren"!
Nicht nur Pro Coesfeld, auch die Vertreter der anderen Parteien hatten
zugehört, als der FDP-Vertreter in der interfraktionellen
Arbeitsgruppe die Prinzipien des "Gegenstromprinzips" erläuterte:
- Erst werden auf der Basis
der zu erwartenden Erträge Eckwerte
für
den
Haushalt festgelegt (z.B. maximale Höhe der
Aufwendungen / maximale Höhe der Auszahlungen, maximale Höhe
der Kreditaufnahme usw.). Das grundsätzliche Ziel: Die Summe der
städtischen Aufwendungen soll die Summe der städtischen
Erträge nicht überschreiten!
- Danach werden im Rahmen
dieser Eckwerte die Budgets der
einzelnen städtischen Aufgabenbereiche ausgestaltet.Sollten
dennoch
mehr
Mittel
angefordert
werden, als bereitgestellt werden
können, müssen sowohl die Effizienz der Verwaltung als
auch die angebotenen Leistungsstandards hinterfragt werden.
- Danach wird der
Haushaltsentwurf beraten und am Ende
steht der Beschluss über den gesamten städtischen Haushalt.
Zudem ist das "Gegenstromprinzip" und die Arbeit mit Eckwerten im
Rahmen der Aufstellung eines Haushalts nichts neues. Als
Anfang der 90er
Jahre das sogenannte
"Neue
Steuerungsmodell" mit seinem Einzug in die öffentlichen
Verwaltungen begann und Verwaltungsleistungen zunehmend als "Produkte"
beschrieben wurden, sollte auch die Haushaltsplanung auf eine neue
Basis gestellt werden. Anstelle der bis dahin vorherrschenden
"Inputorientierung" ("Welche finanziellen Mittel werden benötigt,
um die Aufgaben zu erfüllen?") sollte die
"Outputorientierung" ("
Welche Aufgaben können in
welcher Qualität
mit den
vorhandenen finanziellen Mitteln erfüllt werden?") treten.
Ein wirkungsvolles Instrument dieses Verfahrens ist die konsequente und
ehrliche Festsetzung der finanziellen Eckwerte, in deren Rahmen sich
der neue Haushalt bewegen soll.
Wie Kämmerer Schlickmann im Rahmen der oben
angesprochenen Diskussion bestätigte, ist es gar nicht so lange
her, dass auch die Stadt Coesfeld - zumindest pro forma - mit Eckwerten
gearbeitet hatte. Doch vor einigen Jahren wurde das Verfahren
umgestellt, so dass der Coesfelder Haushalt wieder vollends nach dem
"Inputprinzip" geplant wird: Zuerst legt die Stadtverwaltung den von
ihr erarbeiteten Haushaltsentwurf einschließlich
der Höhe der Eckwerte vor, so dass der Politik nur noch die
Aufgabe verbleibt, einzelne Positionen zu hinterfragen und ansonsten
den Haushalt zu verabschieden. Der Nachteil dieses Verfahrens liegt
darin, dass der Haushalt aufgrund der Anforderungen der einzelnen
Fachressorts aufgestellt wird. Die Frage, ob sich die Stadt das
geforderte Aufwandsvolumen leisten kann, tritt bei dieser
Vorgehensweise
in den Hintergrund - wie die gerade beendeten Haushaltsberatungen
wieder einmal gezeigt haben!.
Wird jedoch das "Neue Steuerungsmodell" konsequent umgesetzt und bei
der Haushaltserstellung das Gegenstromverfahren (Festsetzung von
Eckwerten etc.) angewandt, tritt die Frage in den
Vordergrund, was sich die Stadt tatsächlich leisten kann. Wie in
jeder vernünftig wirtschaftenden Familie oder jedem
vernünftig wirtschaftenden Unternehmen würde
zuerst geschaut, wieviel Geld vorhanden
ist, und
dann würde
über die
Verwendung des Geldes
entschieden.
Sollten sich die anderen Fraktionen - oder zumindest eine Mehrheit im
Coesfelder Stadtrat - dieser Sichtweise anschließen, könnte
schon der nächste Haushalt unter anderen - die Tugend der
Sparsamkeit achtenden! - Rahmenbedingungen erstellt werden.
Bleibt jedoch alles beim alten, drohen
weitere defizitäre
Haushalte, an deren Ende schließlich der Coesfelder Bürger
in mehrere dicke "saure Äpfel" beißen müsste:
Höhere Grundsteuer A, höhere Grundsteuer B, höhere
Gewerbesteuer ...
Ihre
FDP-Stadtratsfraktion
(Beitrag überarbeitet am 09.03.2010)