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Wolfgang Kraska (FDP):
Haushaltsrede 2010
- es gilt das gesprochene Wort -
(25.02.2010)



Wolfgang KraskaSehr geehrter Herr Bürgermeister Öhmann, sehr geehrte Damen und Herren,

wir wollen nicht in Abrede stellen, welche Erfolge unser Bürgermeister Heinz Öhmann und seine Mitstreiter in der Stadtverwaltung für Coesfeld bewirkt haben. Der Industriepark auf dem Kasernengelände in Flamschen wird kommen, und es ist richtig, dass wir als Stadt die damit verbundenen Kosten und Risiken tragen. Wir sind sicher, dass Coesfeld den Industriepark braucht, dass der Industriepark für unsere Stadt Coesfeld ein Erfolg wird. Ebenso ist es richtig, dass sich unsere Stadt am Konjunkturpaket II beteiligt und hohe Summen in die energetische Sanierung von Gebäuden gesteckt hat. Auch wenn es trotz Fördermittel die Stadt Geld dazugeben musste, werden wir schon bald in erheblichem Umfang Heizkosten einsparen.

Doch es ist schon lange nicht mehr die Frage, ob und wo Coesfeld sparen muss.
Es ist eine Tatsache, dass Coesfeld sparen muss.

Der vorgelegte Haushalt sieht vor, dass unsere Stadt in diesem Jahr mit einem Verlust von 4,4 Mio € abschließt. € Schon das letztes Jahr 2009 wird mit einem Verlust enden, wahrscheinlich in der Höhe von 4,1 Mio €.

Für nächstes Jahr haben Sie noch höhere Verluste prognostiziert. Von satten 6,2 Mio € gehen Sie in Ihren jüngsten, arg geschönten Zahlen aus. Ich spreche in diesem Zusammenhang bewust von arg geschönten Zahlen - aber mehr dazu zum Ende meiner Rede.

Wie auch immer: Der vorgelegte Haushalt weist erhebliche städtische Verluste auf. Mit den drei angesprochenen Jahresverlusten werden wir Ende nächsten Jahres fast 15 Mio € an Eigenkapital verbraucht haben, die Ausgleichsrücklage in Höhe von 13 Mio € wird mehr als aufgebraucht sein. In den Folgejahren sollen dann weitere Millionenverluste pro Jahr folgen, mit denen die allgemeine Rücklage unserer Stadt, den Kern unseres städtischen Eigenkapitals, angegriffen wird.

Ich wiederhole noch einmal:
Es ist schon lange nicht mehr die Frage, ob und wo Coesfeld sparen muss.
Es ist eine Tatsache, dass Coesfeld sparen muss.

Ich erlaube mir, an dieser Stelle auf die haushaltsrechtlichen Aufgaben hinzuweisen, die uns die Gemeindeordnung auferlegt.

§ 75 Gemeindeordnung sagt sehr eindeutig:
“Die Gemeinde hat ihre Haushaltswirtschaft so zu planen und zu führen, dass die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert ist. Die Haushaltswirtschaft ist wirtschaftlich, effizient und sparsam zu führen.” Und dann: “Der Haushalt muss in jedem Jahr in Planung und Rechnung ausgeglichen sein. Er ist ausgeglichen, wenn der Gesamtbetrag der Erträge die Höhe des Gesamtbetrages der Aufwendungen erreicht oder übersteigt.”

Dieser Paragraph verdeutlicht uns, in welche Richtung unsere Haushaltspolitik auszurichten ist. Wir müssen einen Haushalt aufstellen, bei dem die Höhe der Erträge gleich der Höhe der Aufwendungen ist!

In unserem Haushalt sieht es nicht so aus - im Gegenteil! Hier wird von jährlichen Verlusten zwischen 4 und 7 Mio.€ ausgegangen, und es ist nicht abzusehen, wann dieses Aufhäufen von Verlusten ein Ende haben soll.

Wenn unsere Stadt so weitermacht, werden wir vielleicht schon in zwei Jahren die Haushaltssicherung erreicht haben. Haushaltssicherung bedeutet im übertragenen Sinn: Die Stadt unterwirft sich einer Art von “Insolvenzverwaltung”. Spätestens dann werden wir an das “Eingemachte” gehen und hart sparen müssen, wenn unsere Bürgerinnen und Bürger nicht am Ende das Nachsehen haben sollen.

Worin besteht die Gefahr für unsere Bürger, worin das “Nachsehen”, das sie haben könnten?

In diesem Zusammenhang erlaube ich mir, auf § 77 der Gemeindeordnung hinzuweisen.

Dieser Hinweis ist insbesondere für die Bürger unserer Stadt von besonderem Interesse, denn er zeigt auf, was auf sie zukommt, wenn wir uns hier im Stadtrat nicht zu einschneidenden und nachhaltigen Sparmaßnahmen durchringen.

§ 77 unserer Gemeindeordnung besagt:
 “Sie [= die Gemeinde] hat die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Finanzmittel
     1. soweit vertretbar und geboten aus speziellen Entgelten für die von ihr erbrachten Leistungen,
     2. im Übrigen aus Steuern
zu beschaffen, soweit die sonstigen Finanzmittel nicht ausreichen.”

Konkret heißt das: Wenn es uns nicht gelingt, nachhaltig und massiv zu sparen,  werden am Ende die Steuern erhöht, konkret die Gewerbesteuer sowie die Grundsteuern A und B, und, soweit die Vorschriften es zulassen, Gebühren und sonstige Leistungsentgelte. - spätestens “von oben” auf Druck der Aufsichtsbehörde.

Auch das Personal unserer Verwaltung wird nicht ungeschoren davonkommen. Aus der letzten Haushaltssicherung wissen wir, dass auch im Personalbestand eingespart werden wird.

Nun lautet die Grundsatzfrage: Wie können wir selbst einschneidend und nachhaltig sparen, um das Schlimmste zu verhindern? Wir haben in den vorangegangenen Ausschüssen, in interfraktionellen Gesprächen und auch noch heute lange darüber gesprochen - ohne vernünftiges Ergebnis. Die meisten von Ihnen zucken mit den Schultern. Von der SPD kam gar nichts! Die CDU kam mit einem mickerigen Sparvorschlag, der uns eine vorübergehende Bauruine im städtischen Museum beschert. Nach der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses sind es nun karge 36.000 €, um die die geplanten Aufwendungen verringert werden sollen. Dabei sind es doch Millionen, die die Stadt jedes Jahr an Verlusten einfährt!

Nun, wenn einem selbst nichts einfällt, wie die Stadt sparen könnte, dann überlegen wir doch einmal, wie andere sparen würden.

Stellen Sie sich eine Familie vor, bei der plötzlich der Hauptverdiener dauerhaft ausfällt und wo nun massiv gespart werden muss. Ob da wohl jemand auf die Idee kommt, Sparvorschläge zu machen wie: Wir kaufen keine Wurst mehr!? oder: Wir waschen uns nicht mehr!? So ein Quatsch! Selbstverständlich wird der Haushaltsvorstand bemüht sein, trotz eines deutlich geringeren Einkommens die gewohnten Leistungen bereitzustellen - allerdings auf niedrigerem Niveau! Gespart werden muss im Umfang der tagtäglichen Ausgaben - überall und durch die Bank! Darüber wird sich die Familie schnell einig sein!

Oder stellen Sie sich ein Unternehmen vor, das in die roten Zahlen geraten ist. Stellen Sie sich vor, in einem Unternehmen müssten im Rahmen der Produktion 4,4 Mio € an Kosten eingespart werden. 4,4 Mio € - das entspricht dem Verlust, den die Haushaltszahlen für das laufende Jahr vorhersagen.

Ein professionell arbeitendes Unternehmensmanagement würde nicht lange fackeln, wenn es darum ginge, im Unternehmen 4,4 Mio € einzusparen. Es käme die Sparvorgabe an die Verantwortlichen in den einzelnen Unternehmensbereiche, die klipp und klar besagte: In der Verwaltung sparen wir soundso viel Prozent an Kosten ein, im Vertrieb soundsoviel %, in der Produktion soundsoviel Prozent - und es bliebe der Findigkeit der jeweils Verantwortlichen in den einzelnen Abteilungen überlassen, wie sie diese Sparvorgaben erfüllen, ob über Einsparungen in Sachausgaben, über optimierte Arbeitsabläufe oder über die Freisetzung von Personal - ganz nach der Findigkeit und dem Einfallsreichtum der Verantwortlichen!

Ein solches hartes aber klares Vorgehen ist der einzige Weg, um nachhaltig zu einem gesunden Haushalt zu kommen.

Statt dessen lehnt die Verwaltung jedes Nachdenken über pauschale Sparvorgaben rundum ab. Statt dessen versucht die Verwaltung, die Politik dahin zu lenken, sich mit “Klein-Klein”, mit maroden Zäunen, einzelnen Straßenlaternen oder Bordsteinabsenkungen zu befassen. Man muss den Eindruck haben, dass das Ziel der Verwaltung ist, die Politik davon abzuhalten, sich mit dem Kernproblem zu befassen.

Dabei weiß auch die Verwaltung:  Wenn die Haushaltssicherung kommt, dann MÜSSEN Politik UND Verwaltung harte Entscheidungen treffen! Dann MUSS darüber nachgedacht werden, ob freiwerdende Stellen noch besetzt werden können, und dann muss insbesondere die Verwaltung  darüber nachdenken, wie die notwendigen Sparmillionen zusammenkommen. Wenn wir, Politik und Verwaltung, zusammen diese Aufgabe nicht bewältigen, dann tritt die Finanzierungsvorschrift nach § 77 Gemeindeordnung ein und dann werden wir von der Aufsichtsbehörde angehalten, unsere Gewerbesteuer und unsere Grundsteuern zu erhöhen.

Das wollen wir als FDP verhindern. Je eher wir selbst zu einem gemeinsamen echten Sparwillen finden und den auch durchsetzen, umso besser!

Pro Coesfeld ist immerhin so weit gekommen, für einzelne Positionen pauschale Kürzungsbeträge zu fordern. Das finden wir grundsätzlich richtig. Doch warum pickt sich Pro Coesfeld einzelne wenige Positionen heraus? Warum ist Pro Coesfeld nicht konsequent und fordert pauschale Kürzungen in ALLEN Aufgabenbereichen, so wie es die FDP seit zwei Jahren tut? Warum greifen Pro Coesfeld zudem einzelne investive Maßnahmen heraus, mit denen Sie in Wirklichkeit KEINEN CENT in der Ergebnisrechnung sparen?

Schon vor zwei Jahren haben wir gefordert: Kürzung der städtischen Aufwendungen um 4 % und zwar in den Positionen, die die Stadt beeinflussen kann. Die Sprecher der anderen Parteien haben das damals schon heftig kritisiert. “Rasenmähermethode” nannten sie das, “verantwortungslos” und “ohne Sparkonzept”.

Und was haben sie selbst anzubieten? Bei SPD und CDU wollen Sie erhobenen Hauptes diesem defizitären Haushalt in einer Reihe weiterer defizitärer Haushalte zustimmen.

Doch wer mit erhobenem Haupt und vielleicht noch sehenden Auges in einen Rasenmäher hineinmarschiert, der handelt auf jeden Fall konzeptlos und absolut verantwortungslos. Denn der “Rasenmäher” wird kommen! Spätestens mit der Haushaltssicherung werden auch Sie radikal vor der Aufgabe stehen, über mehrere Jahre mehrere Millionen € pro Jahr einzusparen - egal wie!

Daher unsere Forderung: Lassen Sie uns jetzt etwas tun! Lassen Sie uns jetzt beschließen, die Aufwendungen in diesem Jahr um 2 Mio € und in den Folgejahren um 3 Mio € zu senken. Es wird weh tun, aber so können wir die Haushaltssicherung und damit Steuererhöhungen und Leistungseinschränkungen zu Lasten unserer Bürger verhindern. 

Wir brauchen einen “Masterplan” zwischen Politik und Verwaltung, indem wir uns einig sind, die schwere Aufgabe gemeinsam meistern zu wollen. Auch die Mitarbeiter unserer Stadt werden ihren Teil dazu beitragen müssen - sie stellen nunmal den größten Aufwandsposten dar, den wir beeinflussen können. Unsere diesbezügliche Forderung lautet daher: Bis auf weiteres keine Neueinstellung mehr, keine freiwerdende Stelle soll wieder besetzt werden und erst recht soll keine neue Stelle mehr geschaffen werden - und zwar so lange, bis der Haushalt konsolidiert ist.

Doch die große Mehrheit in diesem Stadtrat möchte sich mit diesen Notwendigkeiten nicht befassen. Man hat fast den Eindruck, dass Sie sich die Haushaltssicherung herbeisehnen! Dann läge die alleinige Verantwortung nicht mehr bei Ihnen, dann könnten Sie sich zurücklehnen nach dem Motto: “Wir wollen das alles ja nicht! Aber nun ist es die böse Aufsichtsbehörde, die uns zu bösen Entscheidungen zwingt!”

Der Landkreis hat offenbar genau diesen Weg beschritten. Angesichts der Notlage, in der sich der Haushalt des Kreises befindet, hätte man eigentlich erwarten dürfen, dass nun besondere Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung unternommen werden. Doch nichts dergleichen! Statt dessen senkt der Kreis sogar noch die Ausgleichsrücklage mit der Konsequenz, dass schon im nächsten Jahr der Landkreis in die Haushaltssicherung geraten wird. Und was das heißt, ergibt sich aus § 56 der Kreisordnung. Dort heißt es eindeutig: “Soweit die sonstigen Erträge eines Kreises die entstehenden Aufwendungen nicht decken, ist eine Umlage nach den hierfür geltenden Vorschriften von den kreisangehörigen Gemeinden zu erheben.” Oder auf gut deutsch: Wenn der Kreis keine Kohle mehr hat, holt er sie sich von den Städten und Gemeinden.

Die ganze Senkung der Ausgleichsrücklage ist also nichts anderes als eine populistische Luftnummer. Wir müssen davon ausgehen, dass schon im nächsten Jahr die Kreisumlage wieder erhöht wird - vielleicht sogar höher, als es jetzt der Fall gewesen wäre.

Dieses ist auch der Grund, Herr Öhmann, warum ich zu Beginn von geschönten Haushaltszahlen gesprochen habe. Die 6,2 Mio € an Verlusten, die Sie für nächstes Jahr für unsere Stadt vorhersehen, sind alles andere als haltbar. Die 7 Mio € an Verlusten, die Sie ursprünglich für das Jahr 2012 angesetzt hatten, sind angesichts der mit Sicherheit wieder deutlich höhere werden Kreisumlage mehr als realistisch! Diesen Sachverhalt nicht zu berücksichtigen, ist zutiefst falsch.

Ich komme zum Ende:

Mit diesem heut hier vorgelegten Haushalt laufen wir Gefahr, geradewegs in die Haushaltssicherung zu gehen. Und mehr noch: Mit dem mangelnden Sparwillen, der sich in diesem Haushalt ausdrückt, nehmen wir sehenden Auges in Kauf, dass wir am Ende die Erhöhung der Gewerbesteuer und der Grundsteuer A und der Grundsteuer B, abgesehen von weiteren höheren Leistungsentgelten, von oben vorgeschrieben bekommen.

Dieses Abwehren von Verantwortung können wir nicht mittragen. Die FDP lehnt daher diesen Haushaltsentwurf ab.
 


Ihre FDP-Stadtratsfraktion