Regionale
2016 /
"StadtLandLust" -
Zukunftsschiene Coesfeld-Reken-Dorsten":
Teuere "Visionen"
(Juli 2011)
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Bahnverbindung Coesfeld - Reken- Dorsten kränkelt schon seit
vielen Jahren vor sich hin. Mit zuletzt gezählten 1200
Fahrgästen, die sich täglich irgendwo auf der Strecke
bewegen, ist sie die mit Abstand am schlechtesten genutzte
Bahnverbindung im ganzen Münsterland. Zudem sind etwas mehr als die Hälfte
der Fahrgäste
Schüler und
Auszubildende - allein ihre Zahl wird aufgrund des
Geburtenrückgangs in
den
nächsten Jahren dramatisch (um etwa 20 %) abnehmen.
Es ist unbestreitbar ein
nobles Ziel,
sich für den Erhalt der Bahnverbindung einzusetzen. Die
Verwaltungen und politischen Mehrheiten der Gemeinden Reken, Coesfeld
und Dorsten haben sich diesem Ziel verschrieben. Doch es ist nur zu
erreichen, wenn
die Zahl der Fahrgäste dauerhaft und vor allem deutlich
erhöht wird.
Nun
besteht
vielleicht die Chance, 10 - 12 Millionen Euro aus dem
Fördertopf des Landesprojekts "Regionale 2016" in die Rettung der
Bahnstrecke zu stecken. Durch attraktive Begleitangebote könnten
neue
Fahrgäste (z.B. Ausflügler) angelockt werden. Zudem
träumen die Beteiligten von attraktiveren Fahrzeiten und
verbesserten Streckenverbindungen Nur: Wie oft
wurden Millionen an Steuergeldern für ein "gut gemeintes" Projekt
ausgegeben, und am Ende gab es nur ein "Millionengrab"? Solche "Rettungsaktionen" müssen
realistisch sein, und das heißt konkret: Die Zahl der
Bahnreisenden muss am Ende so hoch sein, dass sich das Betreiben der
Bahnlinie wirtschaftlich lohnt.
Die Projektidee "BahnLandLust": Eine "Vision" zur
touristische "Aufwertung"
der Bahnlinie
Als mit dem Landesprojekt "Regionale 2016" üppige
Fördergelder lockten, entwickelten die drei Gemeindeverwaltungen
eine Idee: Fahradtourismus könnte die Bahnverbindung "aufwerten"
und somit wiederbeleben. Gemeinsam reichten sie die Projektidee
"BahnLandLust" bei der "Regionale 2016" ein. Sollten sie zum Zuge
kommen, könnten die Bahnhofsgebäude zwischen Coesfeld und
Dorsten verschönert, Servicestationen für Fahrradtouristen
angeboten werden u.v.a.m. - für geschätzte 10 bis 12 Mio. €
(Gesamtbetrag incl. Landesförderung und Eigenanteil der
beteiligten Gemeinden Reken, Dorsten und Coesfeld; der Betrag wurde auf
einer gemeinsamen Sitzung der Fachausschüsse der Gemeinden Reken,
Coesfeld und Dorsten genannt).
Ein solchen Projekt KANN zum
Erfolg führen. Der Fahrradtourismus
hat im Münsterland einen gewissen Stellenwert erreicht; es gibt
bereits ein akzeptiertes und vom Fahrradtourismus angenommenes
regionales Fahrradwegenetz. In Bezug auf die Bahnlinie Coesfeld - Reken
- Dorsten MUSS allerdings gründlich abgewogen werden, welche Ziele
angestrebt werden und wie realistisch diese Ziele sind.
Doch zwei wesentliche Fragen
blieben
bislang unbeantwortet (FDP-Fraktionssprecher Wolfgang Kraska hatte sie
zuletzt auf der Sitzung des Coesfelder Stadtrates vom 14.07.2011
gestellt):
- Wie viele Fahrgäste müssen dauerhaft hinzugewonnen
werden, damit die Bahnlinie Coesfeld - Reken - Dorsten weiterhin
wirtschaftlich betrieben werden kann?
- Wie viele zusätzliche Fahrgäste sollen über das
vorliegende Tourismusprojekt als Fahradtouristen gewonnen werden?
Nur wer die Antworten auf diese Fragen kennt, kann versuchen, den
möglichen Gesamterfolg seriös einzuschätzen.
Schließlich kann man sich gut vorstellen, welchen Platz eine
20köpfige Radfahrergruppe benötigt. Doch:
- Sind die angedachten Maßnahmen (Renovierung von
Bahnhofsgebäuden, Einrichten von Servicestationen etc.) geeignet,
um künftig während der Sommermonate täglich einige
Hundert Radfahrer auf die Bahnstrecke zwischen Dorsten und Coesfeld zu
locken?
"Visionen" ohne Hand und Fuß?
Es ist befremdlich, dass diese absolut grundlegende Frage nach den
erforderlichen Fahrgastzahlen unbeantwortet blieb. Konkrete Zahlen, so
verteidigten die an dem Projekt beteiligten Verwaltungsmitarbeiter
ihren attraktiven Aufgabenbereich, seien in der jetzigen Projektphase
völlig fehl am Platze. Jetzt ginge es darum, "Visionen" zu
entwickeln, wie man die lockenden Millionen an Landesfördermitteln
vielleicht ausgeben könnte ...
... doch die Visionen kosten bereits jetzt Coesfelder Steuergeld.
Insbesondere die hochbezahlten Verwaltungsmitarbeiter, an dem Projekt
arbeiten und sich z.B. regelmäßig mit Vertretern der beiden
anderen Gemeinden treffen, verursachen nicht unerhebliche Kosten. Wie
hoch dieser Betrag bereits jetzt ist, konnte der Coesfelder
Beigeordnete Thomas Backes auf die entsprechende Frage der FDP-Ratsfrau
Elisabeth Borgert (gestellt auf der Sitzung des Ausschusses für
Umwelt, Planen und Bauen am 06.07.2011) nicht angeben.
"Eines ist klar, ohne Moos nix los!"
so lautete seine einzige (zynische) Antwort (zitiert im Coesfelder
Lokalteil der Allgemeinen Zeitung vom 08.07.2011).
Die FDP Coesfeld lehnt ein Weiterführen dieses Projektes ab, und
zwar aus zwei Gründen:
- Indem eine Projektidee verfolgt wird, für die noch nicht
einmal die erforderlichen Grunddaten aufbereitet wurden, wird
leichtfertig Coesfelder Haushaltsgeld aufs Spiel gesetzt. Angesichts
der immer noch angespannten Coesfelder Haushaltslage ist es zudem
doppelt unverantwortlich, hier Haushaltsmittel einzusetzen.
- Auch die in Aussicht gestellten Fördermittel des Landes, die
über die "Regionale 2016" fließen, sind Steuergelder! Es
liegt auch in unserer (kommunalen) Verantwortung, solche Gelder nicht
für fragwürdige Prestigeprojekte verbraten zu wollen!
Ein
Lehrstück in Sachen "Politik"
...
Jedem Bürger ist bekannt: Unser Staat ist notorisch knapp bei
Kasse. Nie reicht das Geld aus, Schulden häufen sich an ... das
einzige, für das sich der Staat und seine Politiker offenbar
niemals interessieren, ist:
- Welches
sind
die Grundaufgaben, die der Staat wirklich wahrnehmen muss?
- Wie
kann
der Staat sparsam und vorausschauend wirtschaften?
Woher kommt das?
Anhand dieses Beispiels (Regionale-2016-Projektidee "BahnLandLust - Zukunftsschiene
Coesfeld-Reken-Dorsten") lassen sich typische Mechanismen erkennen, wie
Steuergelder der Bürger schnell und nachhaltig verbraten werden:
- Erster Schritt: Ein Problem wird gesucht und "erkannt". Im
konkreten Fall
haben wir die "schwächelnde" Bahnlinie Coesfeld - Reken - Dorsten.
Natürlich wäre es schön, sie für die Bürger
der Region erhalten zu können ...
- Zweiter Schritt: "Wir
müssen 'etwas' machen." Ist das Problem ausgemacht, gibt es
sofort
politische Kräfte, die sich mit starkem Einsatz für "die
Sache" bei ihren Wählern profilieren wollen.
- Dritter
Schritt: "Das Geld ist
ja da." Wenn es politischer Wille ist, werden die
notwendigen
finanziellen Mittel im kommunalen Haushalt schnell zusammengekratzt -
egal wie. Notfalls
wird eben ein Kredit aufgenommen. "Erleichtert" wird das Geldausgeben
(wie auch im konkreten Fall), wenn ein wesentlicher Teil des Projektes
durch "Fördergelder" finanziert werden kann. Doch
"Fördergelder" (wie hier aus Töpfen des
Landesprojektes "Regionale 2016") sind auch Steuergelder, nur dass sie
(wie hier) das Land verteilt.
- Vierter Schritt: Die Verwaltung
sattelt noch oben drauf. Schließlich muss der politische
Beschluss umgesetzt werden, und je mehr Arbeit dabei anfällt, umso
größeres Gewicht gewinnen die beteiligten leitenden
Verwaltungsmitarbeiter.
- Ergebnis: ... mal sehen! ... Im
Erfolgsfall ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass die beteiligten
Bürgermeister und Fraktionsvorsitzenden sich an jedem renovierten
Bahnhofsgebäude und an jeder aufgestellten Informationstafel
für die heimische Presse fotografieren lassen. Vielleicht
rüsten sie sich sogar mit Fahrrädern und Radfahreroutfit aus,
damit das Bild besonders aktiv und dynamisch ausfällt. Doch ob
dann die erhofften Ströme von Fahrradtouristen die Bahnlinie
retten ... wer wird anschließend danach fragen?
Ihre
FDP-Stadtratsfraktion