das vergangene Jahr war von der Frage geprägt, wie wir sparen und
den Haushalt konsolidieren können. Diese Aufgabe sollte eine
interfraktionelle Arbeitsgruppe vorbereiten.
Wir, die FDP, haben diese Arbeitsgruppe gern und mit Überzeugung
unterstützt, nicht nur, weil wir schon seit Jahren auf die
Notwendigkeit einer sparsameren Haushaltsführung hinweisen,
sondern auch, weil es der Versuch war - zumindest sah es so aus -
über die Parteigrenzen hinweg für das Wohl unserer Stadt zu
arbeiten und in der schwierigen Frage der Finanzen Lösungen zu
finden.
Die beschlossenen Erhöhungen der Gewerbesteuer und der
Grundsteuern haben wir von Anfang an nicht mitgetragen. Aber wir
fühlen uns bis jetzt den gemeinsamen Ergebnissen der Arbeitsgruppe
verpflichtet, so dass wir die übrigen Spar- und
Konsolidierungsvorschläge mitbeschlossen haben.
Aber jetzt werden wir den Haushaltsplanentwurf 2011 ablehnen, und zwar
aus folgenden Gründen:
Fahrlässiger
Umgang
mit
dem städtischen Vermögen
Schon Mitte des vergangenen Jahres haben Sie, Herr Bürgermeister
Öhmann, der interfraktionelle Arbeitsgruppe verschiedenes
Zahlenmaterial vorgerechnet. Mit eindrucksvollen Statistiken und
Zahlenbeispielen hatten Sie an die Wand gemalt, in welches finanzielles
Desaster unsere Stadt käme, wenn wir nicht die Steuern
erhöhen würden. 6,2 Millionen Euro, so Ihre
Prognose, hätte das Defizit im Jahr 2011 betragen können,
weitere Defizite in Millionenhöhe würden sich in den
Folgejahren anschließen. Auch die aktuelle Höhe der
Ausgleichsrücklage
können Sie stets genau angeben - und Sie sagen uns, dass wir
diesen Aussage vertrauen dürften ...
Das würden wir gern tun, aber der
Stadtrat
ist
nicht gewählt, um vertrauensvoll die Augen zu
schließen, wenn andererseits die Probleme Überhand
nehmen. Wir, die FDP, würden das Zahlenmaterial, das Sie uns
vorlegen, auch gern überprüfen
und
nachvollziehen.
Aber: Wenn wir dann nachfragten, wenn wir um weitere Zahlen gebeten
hatten, dann wurden wir regelmäßig belehrt, dass das
völlig unmöglich sei! Da es ja noch keine
Jahresabschlüsse für die vergangenen Jahre gäbe,
könne man auch noch keine
zuverlässigen Zahlen ausrechnen!
Dieser Sachverhalt ist nicht nur merkwürdig, sondern zudem sehr
ärgerlich: Sie, Herr Bürgermeister, rechnen uns Ihre Zahlen
auf den Cent genau vor und bitten um Vertrauen. Aber wenn wir zum
Beispiel wissen wollen, wie hoch denn nun die Abschreibungen in den
Jahren 2007 bis 2010 sind, oder wie hoch die gegenzurechnenden
Erlöse aus der Auflösung von Sonderposten in etwa sind,
bleiben unsere Fragen unbeantwortet, weil die Jahresabschlüsse
noch nicht vorliegen und folglich keine Aussagen möglich seien.
Und wenn wir dann nachfragen, wann
endlich die Jahresabschlüsse kommen, können oder
wollen Sie noch nicht einmal ansatzweise einen Termin in Aussicht
stellen.
Hiermit sind wir bei einem ganz wesentlichen Punkt unserer Ablehnung,
denn diese Praxis ist absolut inakzeptabel!
Wir haben den 31. März 2011. Doch
bis heute haben Sie für keines der Jahre 2007, 2008 2009 und 2010
einen städtischen Jahresabschluss vorgelegt. Damit hat der
hier vorliegende Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2011 keinerlei finanziell tragbaren Hintergrund!
Sie verstoßen nicht nur permanent gegen die Gemeindeordnung, Herr
Bürgermeister! In der Gemeindeordnung ist eindeutig festgelegt,
innerhalb welcher Frist der Jahresabschluss dem Rat vorzulegen ist.
In § 95 (2) sagt die Gemeindeordnung unmissverständlich aus: "Der Entwurf des Jahresabschlusses wird
vom Kämmerer aufgestellt und dem Bürgermeister zur
Bestätigung vorgelegt. Der Bürgermeister leitet den von ihm
bestätigten Entwurf innerhalb von drei Monaten nach Ablauf des
Haushaltsjahres dem Rat zur Feststellung zu."
Gegen diese Bestimmungen verstoßen sie nun schon seit Jahren.
Sie verletzen damit nicht nur Ihre Informationspflicht gegenüber
dem Rat und der Bürgerschaft. Aus
kaufmännischer
Sicht
handeln Sie zudem fahrlässig,
denn wider besseren Wissens schieben Sie das Problem der nicht
vorhandenen Jahresabschlüsse weiter vor sich her.
Vom Bürger erwarten Sie, dass dieser "richtig" handelt, dass er
pünktlich und natürlich vollständig seine Steuern
bezahlt, aber Sie selbst planen und wirtschaften munter vor sich hin,
ohne dass die tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten des
Haushalts bekannt und beschlossen sind. Dieser Fahrlässigkeit,
dieser Nonchalance im Umgang mit dem Vermögen unserer Stadt
können und werden wir nicht weiter zusehen!
Inhaltliche Probleme dieses Haushalts
Die Diskussionen um die drohenden Defizite nehmen immer kuriosere
Züge an. Im vergangenen Jahr, als Sie, Herr Öhmann, die
Steuern erhöhen wollten, hatten Sie mit Ihren Zahlen den Teufel an
die Wand gemalt. Demnach drohten uns jährliche Defizite, die bis
über sechs Millionen Euro betragen könnten
und die finanzielle Handlungsunfähigkeit unserer Stadt nach sich
ziehen würden.
Wir, die
FDP, haben schon damals diese Schwarzmalerei nicht
mitgemacht und die Steuererhöhungspläne von Anfang an
abgelehnt. Schon im Herbst war erkennbar, dass die wirtschaftliche
Flaute zu Ende geht, dass ein eine kräftige wirtschaftliche
Erholung - und damit einhergehend eine entsprechende Verbesserung bei
den städtischen Einnahmen - bereits deutlich im Gange war. Jetzt
zeigt sich immer mehr, wie richtig unsere damalige Einschätzung
war.
So berichtete Mitte letzter
Woche das Handelsblatt: "Städte
und Gemeinden können mit Haushaltsüberschüssen rechnen -
ein Milliardenplus im Schlussquartal lässt das Etatloch
schrumpfen." (Handelsblatt von Mittwoch, dem 23. März 2011,
S. 17).
Und auch Barbara Ossyra,
Geschäftsführerin der Arbeitsagentur Coesfeld, bestätigt
in der März-Ausgabe von "Wirtschaft aktuell", der Zeitschrift der
Wirtschaftsförderung-Kreis-Coesfeld-GmbH, dass unser Bezirk zu den
Regionen mit der niedrigsten Arbeitslosigkeit in NRW gehört, und
sie rechnet mit einer weiteren Verbesserung in diesem Jahr.
Doch zurück zu den Ereignissen
des vergangenen Jahres: Sie, Herr Bürgermeister, hatten damals die
interfraktionelle Arbeitsgruppe benutzt, um möglichst alle
Parteien hinter Ihren Steuererhöhungsplänen zu versammeln.
Mit
einer Mehrheit von CDU, Grünen und SPD setzten Sie dann durch, die
Gewerbesteuer, die Grundsteuer A und die Grundsteuer B zu erhöhen,
was in diesem Jahr zu einer Einnahmeverbesserung von etwa 1,4 Millionen
Euro führen sollte. Insgesamt betrug das Konsolidierungsvolumen,
das aus der interfraktionellen Arbeitsgruppe hervorging, etwas über 2 Millionen Euro.
Dieser Erfolg sollte im Dezember 2010 ausreichen, um angesichts der
drohenden horrenden Defizite das Schlimmste abzuwenden.
Doch dann kam plötzlich alles ganz anders. Einen Tag vor
Heiligabend kündigte die Landesregierung völlig
überraschend an, die Landeszuweisungen
um ganze 4 Millionen Euro
zusammenzustreichen. Damit fehlt mit einem Schlag fast doppelt so viel
Geld im Coesfelder Haushaltsplan, als die eigenen
Konsolidierungsbemühungen erbracht hatten.
Eigentlich müsste jetzt die finanzielle Situation unserer Stadt
doch viel schlimmer sein als jemals zuvor! Eigentlich müsste jetzt
erst recht die Notwendigkeit bestehen, sich zusammenzusetzen, um
gemeinsame Lösungen zu suchen!
Doch innerhalb weniger Wochen passierte offenbar ein Wunder!
Plötzlich war in der Allgemeinen Zeitung zu lesen, dass die ganze
Lage eigentlich gar nicht so schlimm sei! Im Gegenteil: Auf einmal
steht Coesfeld finanziell so gut da, dass wir bereits in diesem Jahr
vielleicht sogar den Haushaltsausgleich geschafft hätten, wenn ...
ja wenn die böse Landesregierung nicht so unverschämt bei den
Landeszuweisungen zugegriffen hätte!
Ja, was sollte denn nun diese Botschaft bedeuten? War in Coesfeld
wirklich ein finanzielles Wunder geschehen?
Warum hatten wir im Dezember eigentlich die Steuern erhöht?
Mir drängt sich der Eindruck auf, dass es Ihnen, Herr
Bürgermeister, niemals um echte Ersparnis gegangen ist. Ich komme
nicht umhin, bei Ihnen und Ihren engeren Verwaltungsmitarbeitern
folgende Gedankengänge zu vermuten: "Lassen Sie uns angesichts der gerade
überstandenen Krise die Steuern erhöhen, damit schaffen wir
und ein finanzielles Polster und können noch ein paar Jahre in
demselben Trott weitermachen wie bisher, und wenn dann der Aufschwung
und damit noch mehr Geld in die Kasse kommt, dann können wir das
auch noch als unseren Erfolg verbuchen!"
Doch dann kam die böse Landesregierung und strich uns von einem
Tag auf den anderen 4 Mio. Euro zusammen, und die schöne
Steuererhöhung fließt direkt nach Düsseldorf, um dort
andere Löcher zu stopfen.
Und was machen Sie jetzt? Jetzt, wo eigentlich wirklich Not am Manne
sein müsste, unternehmen Sie gar nichts! Jetzt, wo wirklich
gespart werden müsste, wo wir abseits aller Parteipolitik endlich
richtige (!) Spar- und Konsolidierungsmaßnahmen angehen
müssten, da verweigern Sie sich mehrheitlich dem Gespräch!
Mit den Konsolidierungsbemühungen der bisherigen
interfraktionellen Arbeitsgruppe hat unsere Stadt noch lange nicht die
notwendigen Hausaufgaben gemacht. Weitere,
richtige
(!)
Ersparnisse in der Verwaltung selbst (!) sind notwendig,
damit unsere Stadt dauerhaft gesund und leistungsfähig bleibt.
Das Ziel: Leistungsfähig und
bezahlbar bleiben!
Auch ohne die Einnahmeverschlechterungen, die uns die Landesregierung
beschert hat, stehen wir vor einem ganz anderen Problem:
Unsere
Bevölkerungszahl
wird
mittelfristig sinken. Wir wissen, dass in Coesfeld ein
Rückgang der Schülerzahlen um mehr als 20 % eintreten wird.
Zudem wird der Anteil der Rentner und Pensionäre
steigen, so dass auch der finanziell belastbare
Teil unserer Bevölkerung immer kleiner wird.
Daraus folgt logischerweise: Wenn die finanzielle
Leistungsfähigkeit unserer Bevölkerung sinkt, wenn
also die städtischen Einnahmen mittelfristig eher abnehmen als
zunehmen werden, muss auch unsere
Verwaltung und damit der städtische Verwaltungsaufwand
entsprechend abnehmen!
Diese mittelfristige Aufgabe
müssen wir jetzt bereits in Angriff nehmen. Wir wissen doch: Wir
können und wollen nicht einfach so Mitarbeiter entlassen. Also
müssen wir schon heute konsequent daran arbeiten, in unserem
städtischen Zuständigkeitsbereich die Aufgaben der Verwaltung
so festzulegen, dass sie künftig von weniger Mitarbeitern
geleistet werden können.
Schon letztes Jahr hatten wir diese Dinge angesprochen. Warum
müssen Bebauungspläne so unendlich komplex und kompliziert
ausgearbeitet werden, um nur ein Beispiel zu nennen?! Doch auf diese
Fragen sind Sie - Bürgermeister und übrige Ratsfraktionen -
überhaupt nicht eingegangen!
Zu diesem Zweck hatten wir die Fortführung der interfraktionellen
Arbeitsgruppe beantragt, denn diese Aufgabe ist zu wichtig, zu
verantwortungsvoll und zu komplex, um sie dem parteipolitischen
Alltagsgeschäft zu überlassen. Doch die Mehrheit in diesem
Stadtrat - Ausnahme war die Fraktion von Pro Coesfeld - hat die
Fortführung der interfraktionellen Arbeitsgruppe
abgelehnt.
Die Verwaltung selbst rät von einer solchen Arbeitsgruppe ab -
kein Wunder! Denn von richtigen (!) Sparmaßnahmen in der Arbeit
unserer Verwaltung wollen sie ja gar nichts wissen!
Doch Sie, werter Herr
Bürgermeister und werte Verwaltungsspitze, werden nicht umhin
kommen
darüber nachzudenken, die Aufgabenstandards zu
überprüfen und die Verwaltung von Arbeit zu entlasten, damit
mittelfristig der Verwaltungsaufwand reduziert werden kann. Auch
ohne die augenblickliche schwierige finanzielle Situation wird es
erforderlich sein, den Umfang unserer Verwaltungskosten zu senken,
damit bei künftig sinkender Bevölkerungszahl unsere Stadt
leistungsfähig und unsere Stadtverwaltung bezahlbar bleibt!
Wenn Sie also das Richtige tun wollen, Herr Öhmann, dann fangen
Sie jetzt an! Aber Sie müssen
ans "Eingemachte", Herr Öhmann! Das ist das Gebot der Stunde!
Worauf warten Sie also? Dass in Düsseldorf bei der Landesregierung
der Blitz einschlägt? Oder warten Sie jetzt auch auf den
wirtschaftlichen Aufschwung?